Die Mohrenstraße ist eine Straße im Berliner Ortsteil Mitte des Bezirks Mitte.

Geographie

Die Straße verläuft in der historischen Friedrichstadt in ost-westlicher Richtung vom Hausvogteiplatz bis zur Wilhelmstraße und bildet an einem Teilabschnitt die südliche Seite des Gendarmenmarktes. Am westlichen Ende der Mohrenstraße liegt der gleichnamige U-Bahnhof der Linie U2. Die in der Straße zahlreich erhaltenen oder nach Kriegszerstörungen wiederaufgebauten Gebäude stammen weitgehend aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert und stehen unter Denkmalschutz.

Entwicklung

Die Straße entstand um das Jahr 1700 bei der Anlage der Friedrichstadt und endete im Westen ursprünglich an der Mauerstraße. Zusammen mit weiteren Straßen rund um den Hausvogteiplatz an ihrem Ostende bildete sie durch die dort ansässigen Konfektionsgeschäfte in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Weltkrieg das Hauptzentrum der deutschen Textilkonfektion.

Joachim Ernst Berger (1666–1734), der 1697–1732 Prediger der evangelisch-lutherischen Gemeinde der Friedrichstadt war, schreibt in seiner Chronik der Friedrichstadt: „A Eodem [1707] im Ausgang besagten Monaths [May], bekahmen die Gaßen, dem publico zum besten, ihre Nahmen.“ Der von Berger genannte 9. Straßenname ist die Mohren-Straße. Im ersten Stadtplan der königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin aus dem Jahr 1710 ist die Mohrenstraße ebenfalls dokumentiert.

Im Jahr 1946 befanden sich an der Mohrenstraße die Redaktionsräume der Zeitschrift Die Weltbühne, die 1946 von Maud von Ossietzky im v. Ossietzky-Verlag neu herausgegeben wurde.

Mit Umgestaltung beziehungsweise Bebauung der einstigen Stadtplätze Zietenplatz und Wilhelmplatz (späterer Thälmannplatz) zu DDR-Zeiten wurde der Straßenabschnitt, der die Verbindung zur Wilhelmstraße herstellt, in die Mohrenstraße mit einbezogen.

Ausgewählte Bauwerke des 18. bis 21. Jahrhunderts

Eigentümer vieler Häuser an der Mohrenstraße waren im 19. Jahrhundert vor allem Versicherungsunternehmer, Bankiers, Handwerksmeister oder wohlhabende Kaufleute. Die hier um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert zahlreich errichteten drei- oder viergeschossigen Gebäude dienten hauptsächlich als Verwaltungssitz für Versicherungen, Banken, Handelshäuser, Verlage oder ähnliche Unternehmen. Trotz starker Zerstörungen am Ende des Zweiten Weltkriegs sind viele Häuser erhalten geblieben oder wiederaufgebaut und Ende des 20. Jahrhunderts renoviert worden. Heute stehen zahlreiche dieser Gebäude unter Denkmalschutz.

Straßenname

Deutungen zur Herkunft

Variante 1: Nach einem schwarzen Bewohner der Straße

Über den Ursprung des Straßennamens schrieb Leopold Freiherr von Zedlitz 1834: „Den Namen erhielt sie, wie man erzählt, von einem Mohren, welcher sich in den Diensten des Markgrafen von Schwedt befand, und durch die Freigebigkeit des Gebieters hier ein Haus bauen konnte.“

Variante 2: Nach schwarzen Bewohnern der Straße

Hermann Vogt schrieb 1885 zur Namensgebung: „bei Anlage der Friedrichstadt neu entstanden, hat ihren Namen von den Mohren empfangen, die Friedrich Wilhelm I. von den Holländern erhalten und in einem Hause dieser Straße einquartiert hatte, um sie von hier aus den einzelnen Regimentern als Janitscharenträger zu überweisen“. Da Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1714 die „Anschaffung von 150 Mohren“ plante, könne die Namensgebung nach obiger Aussage auf die Zeit um 1715 eingegrenzt werden. Im Berliner Adressbuch des Jahres 1900 heißt es entsprechend: „Nach den von Friedrich Wilhelm I. hier einquartirten Mohren, die er von den Holländern erhalten hatte und als Janitscharenträger verwandte“. Diese Variante ist aber eindeutig falsch, da die Namensgebung bereits 1707 erfolgte, und 1710 im ersten Stadtplan der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin die Straße dokumentiert ist.

Variante 3: Nach angesiedelten ehemaligen Sklaven

Andere Angaben sprechen für eine Straßenbenennung während der Regierungszeit König Friedrichs I. (1688–1713), der zugleich Herrscher über die Handelskolonie Groß Friedrichsburg in Westafrika war und schon als Kurfürst Friedrich III. die nach ihm benannte Friedrichstadt anlegen ließ. So berichtet Friedrich Nicolai über das Quartier, das die Mohrenstraße und den Gendarmenmarkt umfasst: „Die erste Anbauung geschah gleich 1688, von der jetzigen Kronenstraße bis zur Jägerstraße, auf dem Grunde des ehemaligen Churfürstlichen Vorwerks und Gartens […] 1706 bekamen die Straßen ihre Namen.“ Auch im Berliner Stadtplan von 1710, der allerdings einen späteren Rekonstruktionsversuch darstellt, ist die Mohrenstraße bereits namentlich verzeichnet.

Gesichert ist, dass zur brandenburgisch-preußischen Kolonialzeit (1682/1683–1717) Jungen und junge Männer aus Westafrika als Militärmusiker, Hof- und Kammerdiener in Berlin arbeiten mussten. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg hatte 1680 den nach Westafrika entsandten Kapitän Bartelsen beauftragt, „ein halb Dutzend Sklaven von 14, 15 und 16 Jahren, welche schön und wohlgestaltet seien“, zu erwerben und an seinen Hof nach Berlin zu übersenden. Im Jahr 1682 befahl er Kapitän Voss, mit „zwantzig großen Sclaven von 25 bis 30 Jahren und zwantzig Jungen von 8 bis 16 Jahren“ zurückzukommen. Auch zeitgenössische Abbildungen belegen die Anwesenheit mehrerer dunkelhäutiger Menschen in Berlin, so zum Beispiel Peter Schenks kolorierter Kupferstich Schwarzer Militärmusiker am Brandenburger Hof (1696–1701) und Paul Carl Leygebes berühmtes Gemälde Tabakskollegium Friedrichs I. in Preußen von etwa 1709/1710, auf dem drei junge Schwarze und ein Diener mit Turban im Schloss zu sehen sind.

Variante 4: Nach dem Ort der Unterkunft einer afrikanischen Delegation

Nach der Meinung des Historikers Ulrich van der Heyden sei die Straßenbezeichnung zur Zeit ihrer Entstehung „überhaupt nicht rassistisch oder kolonialistisch konnotiert“ gewesen, sondern beziehe sich auf eine Delegation afrikanischer Repräsentanten Ende des 17. Jahrhunderts aus der brandenburgischen Kolonie Groß Friedrichsburg (im späteren Ghana). Die Abordnung soll unter der Leitung des „Häuptlings“ Janke aus dem Dorf Pokesu (später: Princes Town) gestanden und in einem Gasthaus vor den Toren Berlins Quartier bezogen haben. Sie habe dem Großen Kurfürsten ihre Aufwartung gemacht, nachdem sogenannte Schutzverträge unterzeichnet worden waren. Die Delegierten sollen insgesamt vier Monate in Berlin geweilt haben und, wie damals üblich, zu Fuß vom Quartier zum Schloss gegangen sein. Der wiederholt genutzte Weg habe von den Berlinern daraufhin den Namen Mohrenweg erhalten.

Christian Kopp, Aktivist bei Berlin Postkolonial e. V., wirft Ulrich van der Heyden im Online-Magazin Lernen aus der Geschichte vor, die historischen Belege für seine These schuldig zu bleiben. Der Gesandte Janke sei – abgesehen von einem Diener – allein nach Berlin gekommen, um sich dem Kurfürsten zu unterwerfen. Dieser Besuch wäre bereits 1684, also Jahre vor der offiziellen Benennung der Mohrenstraße erfolgt. Bezüglich dieser Gegenthesen stützt sich Kopp auf Richard Schück: Über eine Unterbringung in einem Wirtshaus an der späteren Mohrenstraße sei angeblich nichts überliefert. Auch auf dem historischen Stadtplan von Johann Bernhard Schultz von 1688 wäre kein Mohrenweg oder ein Gasthaus eingezeichnet.

Diskussion um eine Umbenennung

Seit den 1990er Jahren wird in Berlin im Kontext einer umfassenderen Debatte über möglicherweise historisch belastete Straßennamen auch eine Umbenennung der Mohrenstraße und der gleichnamigen U-Bahn-Station diskutiert.

Verschiedene Akteure, beispielsweise der Afrika-Rat Berlin-Brandenburg, Afrodeutsche und Vertreter von Organisationen wie der Internationalen Liga für Menschenrechte, der Initiative Schwarzer Menschen und kolonialkritische Gruppen wie der Verein Berlin Postkolonial oder das Netzwerk von über 100 entwicklungspolitischen Vereinen, Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag (BER), prangerten in diesem Zusammenhang einen diskriminierenden Hintergrund der Bezeichnung ‚Mohr‘ an. Die Beibehaltung des Namens Mohrenstraße ist nach ihrer Meinung auch Ausdruck einer mangelnden Aufarbeitung von europäischem und deutschem Rassismus und Kolonialismus. Als Alternativen wurden Straßennamen nach der Königin von Saba, Nelson Mandela oder Anton Wilhelm Amo vorgeschlagen. Politische Unterstützung erhielten die Befürworter einer Umbenennung von Vertretern der PDS und der Grünen im Bezirk Mitte. Auch Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hatte sich dafür ausgesprochen. Im Februar 2009 machte die Naturfreundejugend-Berlin auf die Problematik aufmerksam, indem sie einen rosafarbenen Hasen die Straße in Möhrenstraße umbenennen ließ. Etwa 200 Menschen demonstrierten am 22. Februar 2014 für eine Umbenennung in Nelson-Mandela-Straße. Am 23. August 2014, dem Internationalen Tag für die Erinnerung an den Handel mit Versklavten und an seine Abschaffung, feierte ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Gruppen, Decolonize Mitte, das 1. Fest zur Umbenennung der M-Straße. Am 23. August 2015 fand das zweite Fest statt. 2018 forderten Aktivisten beim fünften Fest die Umbenennung nach Anton Wilhelm Amo, der mit seiner Magisterarbeit Die Rechtsstellung des Mohren in Europa zum ersten schwarzen Akademiker und Philosophen Deutschlands wurde.

Im Januar 2015 geriet Dieter Hallervorden im Kontext der Mohrenstraße in die Schlagzeilen. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) hatten von Prominenten Durchsagen der U-Bahnhöfe sprechen lassen. Hallervorden kündigte hierbei die Mohrenstraße an, was angesichts der im Jahr 2012 medial breit geführten Debatte um das in seinem Theater aufgeführte Blackface-Stück Ich bin nicht Rappaport von Herb Gardner zu Protesten und medialer Berichterstattung führte.

Gegner einer Umbenennung verweisen darauf, dass es sich um einen inzwischen historischen Straßennamen handele, der anstelle eines neutralen Straßennamens weiterhin Anlass zu Diskussionen bieten würde. Die Berliner CDU, die sich gegen eine Umbenennung stellt, hält das Wort Mohr nicht für rassistisch, da es auf „Maure“ zurückgehe und so ursprünglich eine wertfreie Benennung für einen muslimischen Nordafrikaner gewesen sei. Man wertete die Umbenennungs-Diskussion und die von den Befürwortern angeführten Argumente als „abstrus“ und „Unsinn“.

Im Juli 2020 schlug der Versuch der BVG fehl, zumindest den U-Bahnhof Mohrenstraße umzubenennen; er sollte den Namen der angrenzenden Glinkastraße tragen. Dies wurde kritisiert, da der Komponist Michail Glinka Antisemit gewesen sein soll, woraufhin die BVG den Namen nur noch als „mögliche Alternative“ bezeichneten.

Am 20. August 2020 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte auf Antrag von SPD und Grünen und mit Unterstützung der Linkspartei, das Bezirksamt zu ersuchen, „die Umbenennung der Mohrenstraße gem. Berliner Straßengesetz […] vorzunehmen und unverzüglich den Vorgang […] zu starten.“ Zur Umbenennung nach Amo solle es nur eine Information der Anrainer und keine Beteiligung geben, auch sollen keine weiteren Vorschläge eingereicht werden.

Am 4. Mai 2021 gab das Bezirksamt Mitte den 1. Oktober 2021 als Datum der Umbenennung der Mohrenstraße in ‚Anton-Wilhelm-Amo-Straße‘ bekannt, denn: „Nach heutigem Demokratieverständnis ist der bestehende rassistische Kern des Namens belastend und schadet dem nationalen und internationalen Ansehen Berlins.“ Der neue Name werde „seit vielen Jahren von zivilgesellschaftlichen […] Akteuren vorgeschlagen, um eine historische Persönlichkeit afrikanischer Herkunft zu ehren die eng mit der Geschichte des Straßennamens verbunden ist“. Der Historiker Götz Aly rief daraufhin in seiner Kolumne in der Berliner Zeitung dazu auf, Widerspruch gegen die Umbenennung einzulegen. Ende Juni 2021 kritisierte er ebendort die für diesen Widerspruch angekündigten Gebühren von bis zu 741,37 Euro, tatsächlich erhob das Bezirksamt dann eine Gebühr von 148,27 Euro.

Sieben Klagen von Anrainern, darunter Aly, schoben zunächst die Durchführung der Umbenennung auf. Mit Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts vom 6. Juli 2023 wurde Alys Klage, die als Musterklage gewertet wurde, abgewiesen. Als Grund nannte das Gericht verwaltungsrechtliche Umstände; politische und historische Überlegungen hätten keine Rolle gespielt. Das Bezirksamt sei auf Grundlage des Berliner Straßengesetzes formal zuständig und habe die Umbenennung somit rechtmäßig verfügt. Mindestens ein Anwohner hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zur Zulassung der Berufung steht noch aus.

Literatur

  • Ulrich van der Heyden: Umbenennung der Mohrenstraße in Berlin: Recht für Anton Wilhelm Amo. In: Berliner Zeitung vom 5. September 2021.
  • Ulrich van der Heyden: Die Umbenennung der Berliner ‚Mohrenstraße‘ – eine Blamage. In: Berliner Debatte Initial, 4, 2020, S. 133–144.
  • Ulrich van der Heyden: Auf Afrikas Spuren in Berlin. Die Mohrenstraße und andere koloniale Erblasten. Tenea Verlag, Berlin 2008.
  • Ulrich van der Heyden: Die Mohrenstraße. In: Ulrich van der Heyden, Joachim Zeller (Hrsg.): Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche. Berlin 2002, S. 188 f.

Weblinks

  • Mohrenstraße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)

Einzelnachweise


Rassismus Berliner Mohrenstraße wird umbenannt ZEIT ONLINE

Mohrenstraße Senat gegen «Schnellschüsse» bei Umbenennung Berlin.de

Mohrenstrasse Foto & Bild architektur, bahnhöfe & gleise

Berlin Umbenennung der Mohrenstraße zieht sich weiter hin

Mohrenstraße in Berlin darf umbenannt werden Recht & Politik